Scharfe Weiber und die Höhlen auf der Schwäbischen Alb

Gerade im Moment stelle ich mir einen typischen Spiegel-Redakteur vor. Also, mehr so den alteingessenenen Typ, nicht die Generation, die über Globalisierung und Neoliberalismus schreibt. Mehr so den Typus altlinker, Alt-68er, pfeiferauchend, kariertes Jacket, Cordhose, Kleinkunstbühnenbesucher, der in wilden Momenten von diesem Dings, dem Bumms, na, dem Neger mit der Gitarre, diesem Hendrix schwärmt. Dolle Zeiten, damals. Und diese scharfen Weiber, boah.

Warum ich dieses nette Vorurteil pflege? Weil ich mich gerade eben, zur Hölle, ernsthaft frage, warum ich nach aufeinanderfolgenden Titelgeschichten über Romy Schneider, nervende Polen und über irgendeine Höhle in der Schwäbischen Alb, wo man die Wiege der Kunst gefunden zu haben glaubt, immer noch montags das Zentralorgan der verblassenden Jimi-Hendrix-Mythen lese. Schlimmer als rauchen, diese Angewohnheit, echt wahr.

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Chat Atkins

    Ich jetzt schon zehn Wochen clean – und ich vermisse nichts.

  2. jolly rogers

    ich bin schon seit 3 jahren runter von dem zeugs. mir geht es gut.

  3. cjakubetz

    Zum einen beneide ich euch beide. Zum anderen frage ich mich aber schon ernsthaft, was da momentan vorgeht, dass sich das Blatt in Belanglosigkeiten überbietet. Macht das Auflage, weiß das jemand?

  4. Chat Atkins

    Naja – da muss ich drauflos phantasieren, ich bin ja kein Brandstweetie: Das Blättchen hat sich seit einigen Jahren ganz klar einem christdemokratisch inspirierten Kampagnen-Journalismus verschrieben, beginnend mit dem Liebesentzug für ‚Joschka und Gerd‘. Duzbrüder hatten sich auseinandergelebt.

    Das heißt zugleich: Da machen drei, vier Menschlein Politik im größten deutschen Meinungsmagazin, die sich der direkten politischen Verantwortung selber nicht stellen möchten. Man könnte auch von einer Art Illuminati- oder Hugenberg-Syndrom sprechen: Unsichtbar an Strippen ziehen, das ist ihr Ding.

    Hinzu kommt ein Sich-Abarbeiten an Pappkameraden, an imaginierten 68ern in diesem Fall, die es so gar nicht gibt: Aus irgendwelchen Gründen fabulieren sie sich eine Welt zusammen, wo längst abgehalfterte Figuren aus KBW-Tagen noch das vorherrschende Glaubenssystem stellen sollen und wo es daher einer genuin Steingart-Aust’schen Sprachgewalt bedürfe, die Welt über die finsteren Pläne solcher Ideologen ‚aufzuklären‘. Damit meinen sie dann wohl, Augsteins Erbe zu verwalten.

    Schlimm ist aber im Grunde einfach nur alles, was den Interessen von Gestütsbesitzern zuwiderläuft.

    Der Leser merkt die Intention und das Pappmaché – und er sagt ‚Bäh!‘. Da aber ein Chef per Definition niemals Unrecht haben kann, lautet die Redaktionsdevise wohl: Mehr desselben, die Dosis war zu klein. Das Boulevardeske wiederum kommt wohl über den Erfolg von SpOn in den Print zurückgeschwappt – und weil vorwiegend intelligente Leute abspringen, passt sich das Blatt wohl auch der neuen Leserschaft an …

    Wie gesagt: Das alles ist aber nur mein Spekulatius. Wenn ich darüber einen Roman schreiben würde, dann wäre das die Folie.

  5. cjakubetz

    Letzteres (SPON) halte ich für eine durchaus interessante und überlegenswerte Theorie, bei der politischen Ausrichtung zweifle ich. Also, nicht daran, dass der Spiegel deutlich konservativer geworden ist, sondern dass dieser politische Richtungsschwenk gleichzeitig auch Titel über Romy Schneider und die Schwäbische Alb erklärt.

  6. jolly rogers

    ich denke, der qualitätsverlust des spiegel und der damit einhergehende verlust des titels „leitmedium“ ist der politik austs geschuldet, der das blatt gnadenlos auf gewinn getrimmt hat. dass das nicht gutgehen konnte, musste jedem klar gewesen sein. dass es dagegen keine proteste gab innerhalb der organisation war auch klar: denn schließlich verdienen die redakteure über die beteiligungsgesellschaft mit…

  7. jolly rogers

    ps: massenkompatibilität+anzeigenkundenfreundlichkeit= niveauverflachung+qualitätsverlust

    das ist die formel, nach der nicht nur der spiegel funktioniert.

  8. Der Kostenrechner

    Was hat Anzeigenkundenfreundlichkeit mit Frau Schneider und der Schwäbischen Alb zu tun?

    Ansonsten zitiere ich Herrn Thoma: Im seichten Wasser kann man nicht ertrinken.
    Und ich erinnere an ein Zitat von Tochter Augstein: „geschwätziges Blatt“. Recht hat die Tochter.
    Für den kalten Entzug empfehle ich CICERO. Da sind auch schon die Redaktionsräume von der regierenden Klasse durchsucht worden. Credibility stimmt also…

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