Die Lemminge

Irgendwann in den letzten Tagen hat (ich glaube, in der SZ, bin aber nicht mehr sicher) jemand ziemlich schön und anschaulich erklärt, was so gefährlich daran ist, dass die Entscheider in den Top-Etagen so furchtbar ähnliche, (man könnte auch sagen: normierte) Lebensläufe haben. Wenn alle, so die These, nach dem Studium und dem MBA noch ein paar Semester bei McKinsey (ersetze ggf. auch durch BCG) hinter sich haben, dann besteht unzweifelhaft das Risiko, dass sie alle irgendwie sehr ähnlich ticken. Das wiederum heißt, dass man in Krisenzeiten befürchten muss, dass sie sie alle beraterhirnkonforme und sehr ähnliche Lösungsansätze entwickeln.

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In einer Krise befinden wir uns ja nun unzweifelhaft, was man unschwer daran erkennen kann, dass der Ruf des Jahres 2009 schon restlos ruiniert ist (Krisenjahr!), obwohl es noch nicht mal drei Wochen alt ist (insofern lässt sich mit einem gewissen Bedauern festhalten, dass dieses Jahr 2009 irgendwie eine arme Sau ist. So viel Vorverurteilung ist selten). Erkennen kann man die Krise aber auch daran, dass sie alle ungestraft die gleichen etwas langweiligen Vorschläge auf den Tisch legen, ohne dass irgendjemand mal laut dazwischen gehen würde: Und mehr fällt euch nicht ein?? Ich meine, ich wäre der Letzte, der nicht sofort für ein ordentliches Bankenbashing zu haben wäre, aber ganz so einfach ist es nicht, wenn man angesichts leichter Erschütterungen der Branche reflexartig ruft: Finanzkrise!

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So ganz ohne MBA und BCG-Erfahrung mag man möglicherweise bei denen, die das mal gemacht haben, etwas scheel angesehen sein, aber man wundert sich dennoch: Wäre es nicht einfach etwas, was dem halbwegs gesunden Menschenverstand geschuldet ist, begriffe man, dass eine Krise ja nun nicht einfach ein Natureiereignis ist, sonden etwas, was immer auch eine Ursache hat, die möglicherweise ja auch bei einem selber liegt? Oder aber in irgendeinem Fehler im System begründet liegt?

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Zum Beispiel Tageszeitungen. Deren Auflage (Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel) sinken seit langem und sie sinken konstant. Und nicht nur ihre Auflagen, sondern letztendlich damit auch ihre Relevanz. Und was macht man? Sparen. Zusammenlegen. Eindampfen. Zentralisieren. Immer schön mit dem Hinweis, dass es dazu auch ganz bestimmt keine Alternative gäbe. Nun wird niemand bestreiten wollen, dass das Nachdenken über Einsparpotenziale auch in guten Zeiten kein Sakrileg ist. Nur: Wenn man weniger bietet und im Gegenzug die Preise anhebt, braucht man vermutlich wirklich MBA und BCG um zu verstehen, wie daraus ein zukunftsträchtiges Modell werden soll. Und dann diese Sache mit den Zentralredaktionen: Mir ist ja immer noch nicht klar, wie man auf der einen Seite die Nase rümpfen kann, wenn der Name dpa fällt – und gleichzeitig seine Publikationen mit Zentralinhalt überzieht. Man sollte sich da nichts vormachen: Bei allem Bemühen wird eine Zentralredaktion immer das Gegenteil von Vielfalt sein, das liegt in der Natur der Sache. Wenn statt 200 Leuten nur noch 100 Leute statt zwei Titeln vier Titel bestücken und das Ganze dann ein Beitrag zu mehr Qualität und mehr Vielfalt sein soll, muss man wahrscheinlich auch wieder MBABCG sein, um das zu verstehen.

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Glaubt man eigentlich, nur mal schnell am Rande gefragt, die Leser/Zuschauer etc. würden das nicht bemerken?

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Dabei ist das mit den analogen Medien ja ein bisschen so wie mit der Autoindustrie. Die jault jetzt auch irgendwas von „Finanzkrise“, um zu begründen, warum auf einmal keiner mehr die ganzen schönen Autos haben will, die derzeit auf irgendwelchen Halden rumstehen. Auch das ist zu kurz gedacht: Während sich bei den Käufern allmählich ein Gefühl dafür einschlich, dass das Modell Verbrennungsmotor ein Auslaufmodell sein könnte,  bauten die Hersteller erstmal ein paar SUV´s und brezelten selbst Kompaktautos mit 100 PS-Motoren auf. Dass die Finanzkrise kam, spielt sicher auch eine Rolle. Aber in erster Linie produzierten die Konzerne am Bedarf vorbei (auch die Musikindustrie hat sich vor wenigen Jahren mal eine ähnlich witzige Fehleinschätzung erlaubt, als sie der Herausforderung mp3 begegnen wollte, indem sie CD´s deutlich verteuern und mit aberwitzigem Kopierschutz versehen wollte). Bei vielen Printhäusern ist das jetzt ähnlich. Der Herausforderung neuer Märkte, neuer Medien stellt man sich, in dem man unbedingt den bisherigen status quo zementieren möchte und dies dergestalt, indem man diesen bisherigen status quo qualitativ verchlechtert und etwas verteuert. Merkwürdig, das.

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Doch, ja, man müsste jeden bewundern, dem mehr einfiele. Der verstünde, dass jetzt nicht die Zeit des planlosen Zusammenkürzens, sondern der Investition wäre. Der wüsste, dass sich Diskussionen jetzt nicht um Synergien, sondern um neue Ideen, neue Konzepte drehen müssten. Dem klar ist, dass man (wie bei den Autobauern) nur noch dann eine Überlebenschance hat, wenn man seine Medien hybrid aufbaut; wenn man nicht einfach irgendwelche Internetseiten hinklatschen würde, sondern sich Gedanken darum machte, wie wo und wann welcher Inhalt am besten aufgehoben ist.

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Woher meine Zuversicht kommt, dass es von diesem beschriebenen Modell bald sehr viel mehr geben wird, die es praktizieren? Aus der Vergangenheit. Aus tiefgreifenden Krisen und Strukturwandlungen sind immer noch die herausgekommen, die nicht wie die Lemminge handeln. Die Lemminge werden schlichtweg nicht überleben.

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Wenn ich es mir recht überlege: eigentlich gar nicht so schlecht, so eine Krise.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Lutz Kuppinger

    He, gar nicht mal soo weit weg von der Realität, mein Lieber. Ich hab auch einen MBA. Müsste mir das zu denken geben?

    Viele Grüße
    Lutz

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