Warum SEO Journalisten nerven sollte

Wenn man momentan die Debatten um die Zukunft des Onlinejournalismus (und der ihn produzierenden Journalisten) verfolgt, könnte man meinen, sie sei nahezu ausschließlich von Google abhängig. Man hört jedenfalls deutlich mehr in letzter Zeit zu diesem Kram als zu irgendwelchen grundjournalistischen Themen. Dabei gibt es ja gegen Suchmaschinenoptimierung (das ist der etwas schönere Begriff dafür, dass man seine Texte so herrichten soll, dass sie von Google optimal gefunden werden) grundsätzlich nichts einzuwenden; es ist legitim, sich Gedanken darüber zu machen, wie man seine Texte besser auffindbar macht. Irgendwann aber ist eine Grenze überschritten.  Wenn man die Suchmaschine zum Fetisch macht, wenn sich journalistisches Texten darum dreht, ob auch wirklich ausreichend Keywords im Text sind, dann läuft irgendetwas schief, zumal es aktuell ja nicht so ist, dass der Journalismus nicht ganz andere Probleme hätte als Google-Optimierung.

Vor allem sollten sich speziell Journalisten momentan mit ganz anderen Dingen befassen — SEO kann man getrost Technikern und Marketingabteilungen überlassen. Sowohl inhaltlich als auch, was die Darstellungsformen angeht, passiert viel zu viel, als dass man sich mit dem grassierenden Google-Fetisch allzulange auseinandersetzen müsste. Man würde sich freuen, wenn es Multimedia-Journalisten gelänge, das Medium Video stärker und professioneller einzubinden. Man fände es großartig, wenn jemand schöne Audios oder Audio-Slideshows produzieren würde, oder interaktive, multimediale Stücke. Das sind die Dinge, in die es sich lohnt, Zeit und Geld zu investieren — aber sechsmal „Klinsmann“ in den Vorspann zu schreiben, damit Google es dann auch mal kapiert, dass es im nachfolgenden Text um Klinsmann gehen könnte? Was für ein Unsinn.

Und vielleicht bin ich ja etwas naiv, aber was passiert eigentlich, wenn dann mal alle alles optimiert haben und in jedem Text über Klinsmann sechsmal Klinsmann im Vorspann steht?

Der Unsinn, sich um äußere Formen und um irgendwelche Klickzahlen zu kümmern, führt vielleicht nicht gleich zu einer Pervetierung des Journalismus, aber er lenkt vom Wesentlichen ab, er verhindert seine Entwicklung und verbirgt Potentiale. Natürlich ist es eine großartige Geschichte, dass man online nunmehr mühelos eine enorme Zahl von Bildern zeigen kann; Bilder, auf die man in einer Zeitung verzichten müsste, weil man den Platz nicht hat. Wenn man sich dann aber die Vielzahl lieb- und hirnlos zusammengeworfener Klickstrecken anschaut (und sich dann noch überlegt, wie man den Quatsch googleoptimiert), dann fragt man sich schon, ob der Onlinejournalismus nicht gerade in eine grundverkehrte Ecke läuft. Und ob man SEO-Profis und anderen Optimierern zumindest als Journalist nicht mit einem gewissen Misstrauen begegnen sollte.  Journalismus jedenfalls, der sich vor einer Suchmaschine in den Staub wirft, steht kurz vor der Bankrotterklärung.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Stefan

    SEO ist letztlich nichts anderes als Vertrieb. Nur dass hier, in gewissem Rahmen, die Journalisten inhaltlich mitziehen müssen. Aber Vertrieb hat schon immer den Journalismus beeinflusst – das ist online nicht anders als in der realen Welt. Einige weitere Gedanken zu diesem Zusammenhang habe ich letzten Sommer in einem Artikel formuliert, den ich oben verlinkt habe.

  2. Martin

    Nun in Sachen SEO sollten Vertrieb wie auch die Journalisten zusammen arbeiten. Wenn es natürlich Grammatikalisch Unsinnig wird reagiert auch Google. Selbst schon getestet und dabei 2 Domains regelrecht verbrannt. Denn das schöne ist das Google nicht nur eine Maschine ist. Dahinter sitzen wirkliche Menschen die wirkliche Visiten machen auf den Seiten. Somit fallen solche Artikel oder Beiträge über kurz oder lang in der berühmten und Sagen Umwobenen“ Sandbox!

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