Krisenköpfe

Vielleicht ist das ja das grundlegende Missverständnis, wenn es um das Thema Bezahlinhalte geht: Man meint in den Verlagshäusern gerne, dass die meisten User den größten Wert des Internets darin sehen, dass es dort alles umsonst gibt. Das ist auf der einen Seite ja irgendwie gemein, weil es impliziert, dass es Online-Nutzern von journalistischen Angeboten in erster Linie darum geht, Geld zu sparen (als „Schnorrer-Medium“ hat mir das mal ein Verlagsmanager unter vier Augen bezeichnet). Allerdings ist das auf der anderen Seite ebenso falsch wie zu kurz gedacht. Und weil das so ist, laufen aktuell die „Süddeutsche Zeitung“ und der Springer-Verlag sehenden Auges in das nächste Desaster (aber vermutlich kann man das ja dann wieder auif die vielen Schnorrer im Internet schieben).

Um es genauer zu erklären: Ich habe ein paar Zeitungen zuhause im Abo. Der „Spiegel“ ist dabei, ebenso auch die „Süddeutsche“. Ich lese sie, weil ich trotz alledem selbst als überzeugter Onliner immer noch gerne Zeitungen lese. Das ist für mich Luxus, auf den ich nicht verzichten will. Würde ich eine öknomische Rechnung aufmachen, wären die Blätter schnell erstes Opfer von Rationalisierungsmaßnahmen meinerseits. Zusammen kosten mich „Spiegel“ und „SZ“ im Jahr immerhin rund 700 Euro pro Jahr, es gäbe also weitaus billigere Möglichkeiten, mich mit Journalismus zu versorgen, ginge es mir lediglich ums Sparen. Ich bezahle das trotzdem (manchmal sogar: gerne),weil mir die beiden Blätter dieses Geld wert sind.

Was mich umgekehrt logischerweise gar nicht interessiert, sind die Zeitungstexte, die auch online erscheinen. Warum auch? Ich habe sie ja ohnehin in der gedruckten Ausgabe. Was ich also erwarten würde von den Online-Ausgaben, sind sinnige, der Nutzungssituation angepasste Inhalte; all das also, was man inzwischen in jeder mittelmäßigen Crossmedia-Veranstaltung so hört. Demnach also nochmal zum Mitschreiben für Verlagsstrategen: Ich lese die Onlineausgabe nicht, um Geld zu sparen und dort gezielt Texte aus der Zeitung abzugraben (halt, ich muss das im Fall der SZ umformulieren; es muss heißen, ich würde das Angebot lesen, um dort…ich lese es aber nicht, weil ich vieles an sueddeutsche.de für schwer erträglich halte. Das retten auch Kister und Prantl eher nicht.)

Genau jene unterstellte Sparsamkeit allerdings benennt jetzt Hans-Jürgen Jakobs, Chefredakteur von sueddeutsche.de, als entscheidenden Grund für die Einführung von Bezahlinhalten. Man müsse aufhören mit dem „bodenlosen Verschleudern“ von Inhalten, begründet er zweierlei Maßnahmen. Zum einen die Einführung einer Applikation für das iPhone, bei der man unter dem eigenartigen Titel „SZ Gold“ für monatliche 1,59 Zugriff auf Inhalte geben, die man anscheinend jetzt im normalen Online-Angebot reduzieren will. Welche das genau sein sollen, verrät man leider nicht, erahnen kann man allerdings: Es sollen künftig nur noch wenige bis gar keine Geschichten aus dem gedruckten Blatt online erscheinen. Das soll man dann also künftig auf dem iPhone gegen Gebühr nachholen können.

Der Rohrkrepierer ist vorprogrammiert. Zum einen, weil es den reinen Geiz der Kunden als Grundannahme voraussetzt. Zum anderen, weil man keinen wirklichen Anreiz schafft. Die Printartikel kenne ich als SZ-Leser ja nun gut genug – und selbst, wenn ich kein Abonnent wäre: Ich will den Leitartikel von Kurt Kister ganz bestimmt nicht auf dem iPhnone lesen und die Seite 3 auch nicht. Wenn ich mein iPhone zum Medienkonsum nutze, dann, weil ich schnell über ein paar Sachen informiert sein will, aber bestimmt nicht für lange Reportagen und hintergründige Analysen (dafür habe ich ja die SZ zuhause). Ich wüsste es also in der Tat zu schätzen, wenn ich meine SZ in gewohnter Qualität bekäme und zudem ein antsändiges Onlineangebot, bei dem ich ja immer irgendwie glaube, dass das von meinen fast 500 Euro im Jahr vielleicht noch irgendwie mitfinanzierbar wäre. Aber ich werde ganz sicher keinen einzigen Cent ausgeben für eine Applikation, die mir verkleinerte Leitartikel und einen Newsticker aufs Handy bringt. Was man anscheinend immer noch nicht kapiert hat, weder in München noch in Berlin: Der Markt an Anbietern ist riesengroß — und auch auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole: Ich lese und bezahle die SZ, weil ich das gerne tue und weil ich von ihr überzeugt bin (was man leider von ihren Onlineaktivitäten nicht behaupten kann.) Und wenn es wirklich nur ums Sparen ginge: Kostenlose Apps gibt´s ja bereits schon u.a. von Stern und Focus.

Wie sehr die Bezahl-Fantasien von Verlagen auf blanker Hoffnung und wie wenig umgekehrt auf dem Glauben an ein gutes, neues, innovatives Produkt beruhen, zeigt das BZ-Beispiel: Mit der neuen iPhone-Applikation soll man künftig unbeschränkten Zugriff beispielsweise auf die Bildergalerien der BZ bekommen, kündigt man dort an. Und das sogar, man fasst es kaum, täglich: Jeden Tag! Bilder des Tages! Dafür zahlt man dann wirklich gerne. Das eigentlich Beunruhigende ist ja, dass man das bei SZ und BZ alles auch noch ernst meint.

Man könnte die Medienkrise stoppen, wenn man die Leute endlicn dazu bringt, für die hochwertigen Inhalte zu bezahlen. So schlicht, so eindimensional ticken also Verlagsleute 2009. Dass man für die gelegentlich gruseligen Bildergalerien der SZ vielleicht auch deswegen nichts zahlen will, weil man sie schon im offenen Onlineangenbot so fürchterlich uninspiriert fand, auf den Gedanken kommt man anscheinend nicht. Stattdessen meint man immer noch, man müsse nur aufhören, irgendwas zu verschleudern.

Erst die Medientage, die den Eindruck vermittelten, man sei in einer Zeitschleife des Jahres 2001 steckengeblieben. Und dann solche Nachrichten zum Thema Bezahlinhalte. Vielleicht haben wir ja gar keine Medienkrise. Vielleicht stattdessen nur ein ganz simples Personalproblemen.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Chat Atkins

    Die abstruse Vorstellung der Verlagsmanager ist es doch, dass die Blogger nur ins Internet strömten, um dort von den kostenlosen altmedialen Angeboten im Netz zu schmarotzen. Sollen sie sich doch einfach hinter ihre Paid-Content-Mauern zurückziehen – und schauen, was passiert. Sie sind nicht die Lokomotive, sie sind nur ein Waggon, der Zug fährt auch ohne sie weiter …

  2. pyrrhussieg

    Wenn Sie ein „anständiges Onlineangebot“ erwarten, würde es mich interessieren, was Sie damit meinen. Sicher haben Sie es schon einmal niedergeschrieben, dann wäre ein Link natürlich schön.

    Falls es noch nicht konkretisiert wurde, sollte es konkretisiert werden. Denn dieser Punkt ist in der Tat der Schwachpunkt einer jeden Onlinemedienkritik: andeuten von indirekten Verbesserungswünschen ohne direkte Verbesserungswünsche, meist garniert mit den Vokabeln, die für einen besseren Onlinejournalismus stehen: Multimedialität und Co.

    Nein, so lässt sich genauso wenig wie mit der irrwitzigen Bezahlinhalte-Idee ein Blumentopf gewinnen. Geben Sie konkrete Handlungsanweisungen, konkrete Denkmodelle vor, zeigen Sie Vorzeigebeispiele auf. Oder setzen Sie sich mit ihren Freunden und Kollegen an ein Onlineprojekt, dass all die Punkte erfüllt, die sie sich schon immer gewünscht haben.

    Allerdings bleibt dann noch die Frage, was das gemeine Volk wünscht und erwartet…

  3. cjakubetz

    Zwei Beispiele aus der Praxis, damit es nicht heißt, es gebe nur gute Beispiele, die in irgendwelchen Theorien entstanden sind. Von den großen Portalen finde ich zeit.de momentan wirklich bemerkenswert, bei den regionalen Zeitungen lohnt der Blick auf badische-zeitung.de. Kurz gesagt: Es geht wschon, wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt, anstatt ständig zu lamentieren.

  4. Studentin

    Was genau zeichnet denn die Online-Plattformen von Zeit und Badischer Ztg aus? Was genau lesen Sie dort? Gefällt Ihnen das Angebot dieser beiden ztgen im Netz besser, weil Ihnen die papierene Fassung nicht vorliegt und Sie somit dort doch noch einiges finden, was Sie ja nicht schon zu Hause gelesen haben? Oder was genau macht diese beiden Angebote besser als die anderen?
    Und wofür würden Sie denn im Netz zahlen? Gibt es irgendein Angebot (nachrichtlich), wofür Sie bereits zahlen?

    Oder sind Sie tatsächlich grundsätzlich der Ansicht, dass sich alle Online-Aktivitäten eines Verlages aus den Erlösen der gedruckten Zeitung finanzieren lassen müssen?

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