Wege aus der Krise

Um zu sehen, wie sehr die Branche in der Krise steckt, sollte man sich vielleicht mal anschauen, was sie zu tun gedenkt, um aus ihr herauszukommen.

2010, das Jahr, das aus der Krise führen soll, besteht also demnach in erster Linie aus Bezahlinhalten, aus Google aussperren und aus neuen Formaten, die schon vor ein paar Jahren da waren (und zurecht von niemandem wahrgenommen wurden, aber dazu später mehr). Bezahlinhalte also, Kassenhäuschen vor den Angeboten, sollen es richten. Dabei ist zunächst einmal nichts gegen die Idee zu sagen, dass man für guten und hochwertigen Inhalt bezahlt. So ungewöhnlich ist das ja alleine schon deswegen nicht, weil Bezahlinhalte überall und jeden Tag und in allen Medien Realität sind. Man bezahlt für Zeitungen und für Fernsehen und stellenweise schon jetzt für Online-Inhalte. Und dass nach einer neuen Studie der BCG angeblich um die 60 Prozent der User generell Bereitschaft zeigen, für journalstische Inhalte auch mal Geld auszugeben, klingt ja zunächst durchaus ermutigend.

Man übersieht nur zweierlei dabei: Eine generelle Bereitschaft ist eben nur eine generelle, zweitens ist die durchschnittliche genannte Ausgabenbereitschaft von drei bis sieben Dollar nicht gerade so, dass sich daraus hohe Erlöspotenziale hochrechnen lassen.  Realistischer ist da vermutlich eher die Sichtweise, dass User ziemlich genau unterscheiden können, was sie für sich für werthaltig betrachten und was eben nicht.  Das kommt in den aktuellen Debatten um Bezahlinhalte eindeutig zu kurz.

Ein schönes Beispiel dafür ist die Idee des Springer-Verlags, iPhone-User mit Apps  zur Kasse zu bitten. Ich würde vermuten, dass die Zahl der iPhone-Nutzer, die mal eben bild.de besuchen, relativ groß ist. Der Anteil derer ist minimal, die für den (und ich vermute, bei einem Großteil dieser Zielgruppe handelt es sich darum) Spaß, mal eben mobil die „Bild“ zu lesen, ernsthaft und dauerhaft Geld auszugeben bereit ist.  Möglicherweise ist die Motivation, das mobile Angebot der „Welt“ zu lesen, schon ein wenig anders als bei „Bild“. Aber auch hier steht zunächst die Frage: Was bietet mir die „Welt“, als dass ich für ein wenig Surfen auf dem iPhone Geld bezahlen würde? Und, das vor allem: Was hat die „Welt“ für Geld, was andere nicht dann doch kostenlos anbieten? Nimmt man nur diese beiden Fragen zusammen, dann lässt sich schnell erahnen, dass diese Strategie nicht aufgehen wird. Geld, so viel ist sicher, wird sich im Journalismus künftig nur noch dann direkt beim Nutzer einsammeln lassen, wenn er unmittelbaren und exklusiven Nutzen in einer Geschichte erkennt. Für Publikumsmedien keine wirklich gute Nachricht, aber auch nicht zu verhindern, in dem man jetzt einfach versucht, Nutzer zu zwingen.

Man könnte angesichts dessen ja vermuten, ein Hebel könnten neue Produkte, innovative Ideen, besserer Journalismus sein (also alles das, was momentan auf jedem durchschnittlichen Panel im Lande D. so angepriesen wird). Diskutiert wird in diesem Zusammenhang in den letzten Tagen vor allem das neue „EMag“ der „Welt am Sonntag“, was insofern schon ein wenig irritierend ist, weil es hartnäckig als „neu“ bezeichnet wird, tatsächlich aber ein ziemlich alter Hut ist. „Livepaper“ nannte sich schon vor einigen Jahren der Versuch des Entertainment Media Verlags in München, einen merkwürdigen Zwitter aus Papier, PDF und Internet zu machen. Unter einer ziemlich flashverseuchten Oberfläche befanden sich beispielsweise Filmkritiken, bei denen man auch einen Videotrailer abspielen konnte. Oder CD-Besprechungen, bei denen man Titel anspielen oder der Stimme des Kritikers lauschen konnte. Der wesentliche Unterschied zum EMag der „Welt am Sonntag“ ist lediglich, dass der EMV seinerzeit glaubte, man habe die passende Weiterentwicklung des ePapers gefunden. Die „Welt am Sonntag“ hingegen will offensichtlich eine neue webbasierte Darstellungsform etablieren. Dabei drängt sich während des (kostenpflichtigen) Duchblätterns immer wieder ein Gedanke auf:  Warum? Klar ist es hübsch, dass das EMag 3D-Animationen kann, aber man auch ganz prima ohne sowas leben. Schöner Gedanke, dass die Tochter von Jan Weiler ein wenig über ihren Vater plaudert. Aber ginge das nicht auch ganz wunderbar über eine stinknormale Webseite? Kurzum: Was ist der große Mehrwert, den ein solches Magazin bietet? Nette Spielerei, gewiss. Aber in allererster Linie auch nur eine Spielerei.

Und dann ist da ja noch die Idee, einen Newsletter namens „Welt Lage“ kostenpflichtig zu machen. Und auch da — greifen alle Einwände, die schon angefürt wurden. Wer bezahlt für etwas, was er andernorts kostenlos bekommt? Was ist der Mehrwert, der Nutzwert, die Exklusivität, was macht dieses Produkt im klassischen Sinne verkaufbar?

Das sind die Fragen, vor denen der Journalismus in den kommenden Jahren vermehrt stehen wird. Und auf die es Antworten zu finden gilt. Kassenhäuschen aufbauen und alte, gescheiterte Ideen zu reanimieren, ist da ein bisschen wenig — zumal die Zeit unerbittlich gegen die etablierten Medien läuft.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Rainer Schuldt

    Dem vorher Gesagten kann ich vollen Umfangs zustimmen. Meine Befürchtung in diesem Zusammenhang ist: Wenn die Paid-Content-Geschichte scheitert, dann werden wahrscheinlich wieder mal nicht die an die Luft gesetzt, die in stundenlangen Brainstormings und Jour Fixes Powerpoints an die Wand gezimmert haben, sondern diejenigen, die letztilch für die Qualität der Inhalte sorgen sollen/müssen. Besser wäre es, jetzt in das zu investieren, was guten Journalismus ausmacht: Kompetenz und Talent – der Journalisten.

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