Journalismus für 1,50 Euro die Stunde

Vielleicht hat Ursula von der Leyen ja einfach auch nur Journalisten warnen wollen, als sie darauf hingewiesen hat, wie schnell mal in die Altersarmut rutschen kann, wenn man zeitarbeitslebens nicht genug verdient hat. Es ist jedenfalls ein immer wieder schön zu beobachtender Reflex, wenn Journalisten bei der Berichterstattung über das Thema Zuschussrente auf die Berufsgruppen hinweisen, die demnach von der Altersarmut betroffen sein könnten. Von sich selbst reden sie im Regelfall dann nicht.

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Eigentlich hätten meine Großeltern mir damals ja auch was sagen können, nein, eigentlich hätten sie mich warnen müssen. Journalist, so sagten sie mir vor 30 Jahren immer wieder, das sei nicht nur ein spannender und hochangesehener Beruf, sondern zudem einer, in dem man richtig Geld verdient. Also, so richtig richtig. Und wer kann zu so was schon nein sagen? Hätten sie mir damals gesagt, dass wir zahlenmäßig inzwischen in die Nähe von Friseusen gerückt werden, wäre ich vermutlich doch Lokomotivführer oder Pilot geworden. Und damit will ich übrigens mal nix gegen den ehrenwerten Beruf des Friseurs gesagt haben.

Volker Lilienthal und Thomas Schnedler haben in diesem Text hier nochmals dargelegt, was man eigentlich schon länger ahnt: Den durchschnittlichen Journalisten als „gutverdienend“ zu bezeichnen, ist ein eher flacher Witz. Auf 2300 Euro netto kommt demnach der Durchschnittsjournalist, Freie oder junge Journalisten liegen häufig sogar unter diesen Einkommen. Desweiteren kommen die Autoren zu einer Einschätzung, die man mit viel gutem Willen bestenfalls ernüchternd nennen kann:

„Längst haben die kreativen, oft akademisch ausgebildeten und weltgewandten Prekären viel mehr gemein mit den auf Stunde bezahlten Supermarktregaleinräumern, den per Zeitarbeit verliehenen Security-Bären und den Sieben-Tage-die-Woche-Wurstbudenverkäufern, über die sie mitfühlende Reportagen schreiben, aufrüttelnde Sozialstudien erstellen oder deprimierende Reality-Dokus drehen, als mit den Agenturchefs, Etatbewilligern oder Ressortleitern, von denen sie sich Aufträge erhoffen und ein bisschen Honorar.“

Kurz und drastisch gesagt: Der durchschnittliche Durchschnittsjournalist ist eine ziemlich arme Sau.

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Das Merkwürdige daran ist dann ja leider aber auch, dass es zu kurz gedacht ist, wenn mal glaubt, es seien nur irgendwelche Pfennigfuchser oder Einrichtungen, denen so etwas wie journalistische Qualität ziemlich egal ist. Die junge Dame, die einen viel gelesenen Beitrag über die „Ausbeutungsmaschine Journalismus“ geschrieben hat, ist mittlerweile gut untergekommen, Joachim Braun, Chefredakteur in Bayreuth, hat sie klugerweise eingestellt. Aber das ist leider immer noch die Ausnahme.  Und keineswegs nur auf Nachwuchs beschränkt. Oder auf, sagen wir, nur mäßig ausgebildete Kollegen. Stattdessen weiß ich beispielsweise von journalistischen Ausbildungseinrichtungen, die netto gerechnet ihren Ausbildern, Trainern, Seminarleitern einen Stundenlohn von nicht mal 2 Euro bezahlen. Dafür aber sollen sie natürlich immer auf dem neusten Stand der Dinge sein, auch hochaktuelle Themen behandeln können und natürlich sollen sie jederzeit für ihre Seminarteilnehmer ansprechbar und gut gelaunt sein. Die Vor- und Nachbereitungszeit solcher Seminare ist in den 1,50 übrigens nicht eingerechnet. Man wolle sich übrigens jetzt noch mehr darum bemühen, die besten Trainer und Dozenten zu gewinnen, habe ich unlängst aus dem Dunstkreis gehört. Allerdings sei davon auszugehen, dass bei den Honoraren tendenziell noch ein wenig gekürzt werden müsse. Sehr lustig, das.

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Das sind dann wieder diese Momente, in denen ich mich wundere.  Man hört ja immer wieder Panels und liest Stücke, in denen die Qualität des Journalismus beschworen wird. Und dann denkt man sich im Stillen, wie das eigentlich funktionieren soll, wenn man Qualitätsjournalisten Qualitätsjournalismus via Qualitätsjournalisten vermittelt, die dann so bezahlt werden, dass man normalerweise sofort Günter Wallraff als verdeckten Ermittler losschicken müsste, der mal über die leicht unhaltbaren Zustände in der vierten Gewalt im Zustände berichtet („Ganz unten – Wallraff in deutschen Journalistenausbildungseinrichtungen!“)

Und klar, möglicherweise kommen jetzt wieder bloggende schlaumeiernde Kotzbrocken, die irgendwas fabulieren, dass Journalismus eben nicht mehr wert sei oder man doch selbst schuld sei und man sich auch in den Medien auf gewinnträchtigere Nischen spezialisieren könne. Das ist schon alles richtig und wahr und das hier vorgebrachte Lamento gilt jetzt auch nicht mir selber. Aber irgendwie verstehe ich das im Moment nicht so wirklich: Wir reden also permanent von irgendwelchen Neuerungen, die wir jetzt alle mitmachen müssten, während wir gleichzeitig ungefähr gar nichts dagegen unternehmen, wenn unserem Beruf die ökonomische Grundlage allmählich wegbricht? Für wen soll Journalismus eigentlich künftig noch attraktiv sein und wie genau hat man sich eigentlich eine Ausbildung vorzustellen, die auf derart albernen Stundensätzen basiert? Alles Idealisten in dieser Branche?

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Die Idee ist mir irgendwann vor ein paar Wochen gekommen; nach dem ersten Beitrag, der in diese Richtung zielte. Ich würde gerne mal mit ein, zwei Videokameras bewaffnet durch Deutschland fahren, Leute kurz in ihrem Job filmen, sie erzählen lassen, was sie umtreibt, was sie verdienen, wie sie sich durchs Leben schlagen und künftig schlagen wollen. Ich freue mich aber auch über jeden, der sich vor eine Webcam setzt und mir ein kurzes Statement, einen Schnipsel zukommen lässt. Oder einfach nur eine Mail mit Anregungen und Schilderungen aus dem Journalistenalltag, vor allem dem ökonomischen. Und wer an diesem Projekt mitspielen will – meldet euch: cjakubetz (ät) gmail (dot) com

 

Dieser Beitrag hat 13 Kommentare

  1. Thomas Mrazek

    Schade, in der sprechenden URL las sich das Ganze so vielversprechend …

  2. OlafKolbrueck

    Lieber Christian Jakubetz, bevor ich wie mein Onkel lamentiere, man habe im Leben immer 1000 Euro zu wenig, sollte man das Durschschnitt-Netto unserer Branche mal ins Verhältnis setzen.
    Grob geschätzt liegen 75 % der Bevölkerung unter diesen 2300 Euro. 50 % sogar deutlich. changierend je nach Statistik und Kriterien (Einzelperosn, Haushalt, etc)

    Natürlich ist das immer noch unterbezahlt. Und natürlich sind es Volos erst recht und zuallererst.

  3. cjakubetz

    Ja, das mag sein, aber den Durchschnitt treiben ja auch einige der Topverdiener nach oben. Und mal ehrlich, wenn jemand 2300 netto hat und in einer Großstadt lebt und vielleicht noch ne Familie hat…wie soll der eigentlich rundumkommen?

  4. cjakubetz

    Gegenvorschläge? Alternativen? Ergänzungen?

  5. Moki

    Aus eigener Erfahrung als Freier weiß ich nur zu gut, dass man auch mit einer Arbeitzeit von 50+ Stunden pro Woche noch weit unter den 2300 Euro netto liegen kann… gaaaanz weit drunter.

  6. OlafKolbrueck

    Lieber Christian Jakubetz, wie der rumkommen soll? Keine Ahnung. Ist mir ein Rätsel.
    Gedankensprung
    Vielleicht, wennn man merkt, dass das alles nicht weiter hilft, die Doppelhaushälfte in Germering 😉 unerreichbar bleibt, wenn man nicht das Erbe Eltern hat, (wenn die es nicht vorher verprassen), wenn man merkt, dass Wohlstand nur simuliert ist, vielleicht ist dann mehr Empörung und rote Fahne. Solange man aber den nächsten Golf noch irgendwie auf Punp finanzieren kann, sicher nicht.

  7. cjakubetz

    Das mag wohl wahr sein. Aber trotzdem wundere ich mich alles in allem, wie wenig so was debattiert wird. Und dann wundern wir uns alle, dass es Veranstalter von PK´s locker hinbekommen, Journalisten mit einem kleinen Kuvert mit 500 Franken zur Teilnahme zu bewegen.

  8. claudia

    Lehrjahre sind ja keine Herrenjahre, aber wenn ich so an mein Volo denke: 50h die Woche ohne Sonntagsdienst, jede zweite Wochenende Wochenenddienst… Gemeinderat und Stadtratsitzung usw. für das übliche Vologehalt… nichts für ungut, aber das war bei meiner kleinen Lokalzeitung einfach Ausbeutung. Nach zwei Jahren gabs einen feuchten Händedruck, ein Danke und ein Goodbye. Der nächste Volo kam – weil billig – und so weiter und so fort.

    Ich will jetzt als Redakteurin nicht jammern, aber als Berufsanfänger bzw. in den ersten 4 Berufsjahren ist es auch nicht sonderlich spektakulär und ich bin noch weit von den 2300 Euro netto entfernt. Gleichaltrige die irgendwas anderes studiert haben, haben diesen Betrag als Einstiegsgehalt (ohne Volo etc. ppp)

  9. Pseudonym ohne Synonym

    Die Frage ist ja auch, wie lange sich junge Menschen für diesen Beruf interessieren – angesichts des miesen Gehalts, des hohen Arbeitsdrucks und der fehlenden Wertschätzung (etwa in Form von Zeitverträgen).

    Ich habe kürzlich aus einem großen Verlagshaus gehört, dass sich die Volos gegen Überstunden wehren. Hintergrund: Zuvor hatte man ihnen durch die Blume mehrmals mitgeteilt, dass sie wohl nicht übernommen werden. Mich verwundert die Reaktion nicht.

    Natürlich jammern die Häuser, wie schlecht das Geschäft im Vergleich zu früher laufe. Schaut man auf die Renditen und Gewinne, sieht es doch eher nach einer wohl gepflegten Mär aus.

  10. Fräulein Schnee

    Bezüglich der miesen Bezahlung kann ich auch ein Lied singen.
    Ich befinde mich zurzeit noch in einem Volontariat, was ich Ende des Jahres abschließen werde. Vor allem in diesem Zeitraum der „Ausbildung“ wird nicht viel bezahlt. Dabei bringe ich langjährige Erfahrungen bei Zeitungen mit und habe diverse Praktika neben meinem Studium absolviert. Das Studium habe ich sogar abgeschlossen. Also: Ich bringe einen Schatz an Erfahrungen mit und einen akademischen Titel, was pekuniär nicht honoriert wird.
    Ich hatte bereits ein Volo-Jahr bei einer anderen Zeitung im mittleren Teil Deutschlands hinter mir und wurde dort außerhalb des Tarifes bezahlt. Ich bekam etwas über 1500 Euro brutto. Jetzt bekomme ich knapp 1500 Euro brutto (da ist die Gehaltserhöhung für das zweite Jahr schon drin). Man muss dazu sagen, dass ich seit einem Jahr und drei Monaten für eine Tageszeitung arbeite, die in den neuen Bundesländern ist. Hier merkt man deutlich, dass die Löhne niedriger sind, als in den alten Bundesländern der Republik.
    Neben dem geringen Gehalt kommen bei mir noch Probleme auf fachlicher Ebene hinzu. Die Kollegen sprechen mir (teilweise) die Kompetenz einer Schreiberin ab und legen mir zwischen den Zeilen nahe, den Beruf zu wechseln. Aufgrund dieser Erlebnisse habe ich einen Blog erstellt, auf dem ich meine Erlebnisse und Erfahrung veröffentliche.

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