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Einfach in den sauren Apple beißen

Irgendwie sind Journalisten manchmal schon ein lustiges Völkchen.  Erst nehmen sie jahrelang an einer Show teil, die eine Show ist, bei der ein Produkt verkauft wird (das Produkt verkauft sich übrigens auch dank tatkräftiger Medienmithilfe exorbitant gut). Dann stellen sie auf einmal fest, dass die Show ja eigentlich nur eine Show ist und beschweren sich darüber, dass die Show nur eine Show ist. So kann das manchmal gehen, wenn man Veranstaltungen gar zum Aufmacher hochjazzt, die nur eines sind: eine Verkaufsveranstaltung für ein Handy (gelegentlich auch für andere Produkte des Unternehmens).

Am Mittwoch war jedenfalls mal wieder Großkampftag in nahezu allen großen deutschen Onlineredaktionen. Über die inzwischen nicht mehr ganz so große Apple-Show berichteten viele in halber Kompaniestärke und in voller Selbstverständlichkeit. Ob es sich überhaupt noch lohnt, diese so wunderbar euphemistisch Keynotes genannten Verkaufsveranstaltungen wie selbstverständlich in Großbesetzung zu covern, wird in manchen Redaktionen gar nicht wirklich hinterfragt. Bei „Spiegel Online“ reichte es wie immer zum Aufmacher, auch wenn man etwas übellaunig feststellte, es sei ja dann doch nur ein iPhone geworden, wie man es weitgehend erwartet hatte. Und dass früher irgendwie mehr Stimmung war. Man konnte beinahe Mitleid bekommen mit den enttäuschten Kollegen, die sich doch schon so gefreut hatten. Was natürlich nichts daran ändert, dass man heute – ebenfalls bei SPON und auch bei bild.de – erstmal stolz erzählte,   man habe es schon in der Hand gehabt und getestet. Völlig unerwartet ist es übrigens ein iPhone, das iPhone 5 heißt und besser sein soll als das iPhone 4.

Aber mal im Ernst: Ich bin selbst durchaus Apple-Fan, dieser Text hier entsteht gerade auf einem Produkt des Hauses und alles andere, was man als Fanboy eben so hat, habe ich auch. Trotzdem, nein: Das muss nicht sein. Bei Einführungen, die wie beispielsweise das erste iPhone oder das iPad eine echte Revolution in der Technik darstellten, habe ich es verstanden, dass man live und groß berichtet hat. Spätestens bei der Vorstellung des eher evolutionären iPhone 4s packten mich Zweifel an der journalistischen Legitimation der Berichterstattung. Und wenn die Quintessenz des Mittwochs die ist, dass das iPhone größer und dünner und natürlich mal wieder viel toller ist, dann weiß ich nicht, welchen Erkenntnisgewinn mir das bringen soll. Selbst wenn es noch so viele Liveblogs, Ticker und hochqualifizierte Redakteure gibt, die mir dieses Jahrhundertereignis nahebringen.

Speziell im Fall Apple sind vielen Redaktionen die Maßstäbe verloren gegangen. Es gibt kein Unternehmen, bei dem sich Journalisten so völlig unreflektiert auf jedes Krümelchen stürzt, das ihnen eine hochgradig clevere Marketingmaschine seit Jahren nach dem gleichen Muster hinwirft. Bei all meiner latent vorhandenen Sympathie für Apple sehe ich keine Relevanz, die dieses Spektakel rechtfertigen würde.  Und wenn ich dann noch sehe, wie oft auch große und relevante Ereignisse mit lieblosen Agenturmeldungen runtergerissen werden, dann bleibt der Gedanke nicht aus, den Kollegen mal ein generelles Nachdenken zu empfehlen.  Beißt einfach in den sauren Apple, lasst sie ihre Smartphones und Tablets vorstellen, berichtet ordentlich darüber – aber macht euch bitte nicht wieder zu Handlangern eines ausgesprochen cleveren Großkonzerns.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Thomas Levermann

    Und die Show ist auch eine Verkaufsshow für all die Medien die damit Ihre Reichweite, Klicks und Auflagen steigern wollen. Mich würden mal all die Klickraten der Nachrichtenseiten mit Klickstrecken, Videos, Zusammenfassungen, Nachbereitungen usw. interessieren. Allein die Platzierung und Wiederholung der ganzen Gerüchte im Vorfeld der Show war schon eine Show.
    So ist das doch in der PR-Maschinerie: beide Seiten leben (finanziell) davon!

  2. Chris

    Schön auf den Punkt gebracht. Bin gleicher Meinung, doch das neue Appleprodukte IMMER, innovativ, revolutionär und was weiß ich noch alles sein müssen, hat sich wohl schon bei den einschlägigen Fachredaktionen eingebrannt. Wirkliche Neuerungen kann ich (bis auf die veränderte Größe) am neuen iPhone nicht feststellen und werde wohl bei meinem iPhone4 bleiben, revolutionär neu und innovativ finde ich das neue ganz und gar nicht.
    Von daher: toll, dass jemand die ganze Sache auch etwas kritisch beäugt und sich nicht stillschweigend die „Innovatin“ hin nimmt.

    Grüße, Chris (dieser Text ist auch auf einem Produkt mit einem Apfel entstanden, würde mich selbst auch als Fanboy bezeichnen 😉 )

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