Fünf Dinge, die Sie 2014 am meisten bereuen könnten

Etablierten Medien vorhalten, was sie alles versäumen, falsch machen – und keine Alternativen aufzeigen? Das gehe ja nun nicht wirklich,  war eine der kritischen Reaktionen auf diesen Beitrag.  Durchaus berechtigt, diese Anmerkung. Deswegen, und weil bald ein neues Jahr beginnt und man das gerne als Gelegenheit nimmt, ein bisschen grundsätzlich zu werden: Hier kommen fünf Tipps, wie man Journalismus im Jahr 2014 betreiben sollte.

#1 Arbeiten Sie transmedial

Och nö, mögen Sie sich jetzt denken – nicht schon wieder so ein buzzword. Transmedia, das klingt erst mal so, als hätte sich jemand gedacht, dass der Begriff „Crossmedia“ jetzt aber wirklich schon ein bisschen arg ausgelutscht und deshalb nicht mehr so richtig verwendbar ist. Und dass es doch bestenfalls eine akademische Diskussion sei, den Unterschied zwischen Trans- und Crossmedia zu definieren (für alle, die es genau wissen wollen: im „Medienwiki“ des Mediencampus Bayern habe ich aufgeschrieben, was genau unter transmedialem Arbeiten zu verstehen ist).

Tatsächlich aber ist der Begriff Transmedia vor allem eines: die Quintessenz dessen, was in den vergangenen Jahren des Medienwandels passiert ist. Die Konsequenz der Digitalisierung sozusagen: Wenn Medien bisher eine gut frequentierte Einbahnstraße waren, in denen wir Journalisten die Fahrtrichtung vorgegeben haben, dann sind sie jetzt ein kaum mehr zu überblickendes Netz, in dem jeder seine sehr eigenen Wege geht und sich vermutlich nicht mehr sehr viel darum schert, was genau Journalisten dazu zu sagen haben. Transmediales Arbeiten bedeutet also (um in der Metapher zu bleiben): Journalisten sind nicht mehr die Wegweiser und Gatekeeper in der Einbahnstraße, sondern Begleiter durch den ganzen Tag. Was (denken Sie sich bitte an dieser Stelle gerne auch einen tiefen Seufzer meinerseits) mit sehr viel Arbeit verbunden ist. Und mit dem stetigen Lernen über neue Kanäle dazu. Transmediales Arbeiten bedeutet ja in der Konsequenz nicht einfach, dass man mit copy&paste Inhalte auf andere Kanäle kopiert oder dass man Facebook und Twitter zu Linkschleudern umbaut. Transemdiales Arbeiten heißt, Geschichten auf verschiedenen Kanälen zu erzählen, die auf diesem einem Kanal alleine überlebensfähig sein können. Man muss das so banal erklären, damit klar wird, warum Links bei Facebook eben nicht transmediales Arbeiten sind. Ein Link ist eben keine alleine überlebensfähige, stabile Geschichte. Er ist nur ein Link.

Transmediales Arbeiten hat, Sie bemerken es vermutlich schon, sehr viel mit Kommunikation zu tun. Wenn man also ernsthaft soziale Netzwerke für sich nutzbar machen will, ist es zuwenig, dort einfach nur vor sich hinzublubbern. Wer nicht kommunizieren will, kann sich den Auftritt dort auch gleich schenken. Zu Ende gedacht heißt das eben aber auch: Man muss erstens die Funktionsweisen und die Eigenheiten von Blogs, Twitter, Facebook, Instagram, Google + und diversen Foren verstehen lernen und verinnerlichen. Und man muss zweitens überall dort mit Menschen reden, sie ernst nehmen, manchmal sogar auch nur einzelne. One-to-one-Kommunikation, wie das auf neudeutsch so schön heißt. Klingt wohlfeil und ist vermutlich sauanstregend. Und viel Arbeit. Und unvermeidlich. Deswegen lautet Ratschlag 2:

#2 Sie müssen reden!

Eines haben Generationen vermutlich ja gemeinsam: Sie erzählen immer den jeweils nachfolgenden Generationen, um wie viel besser früher ungefähr alles gewesen sei. Wir ganz Alten (vulgo: zwischen 40 und 50) schwärmen gerne von den Zeiten, als man noch ausschließlich für ein Medium arbeiten musste und sich nicht mal im Traum Gedanken darüber gemacht hätte, was jetzt die Kollegen anderer Gattungen aus dem Thema machen. Die hinter uns denken seufzend an die Zeiten zurück, in denen man noch neben seinem eigentlichen Kram nur noch ein bisschen was für die Homepage der Redaktion machen musste. Vermutlich wird die Generation der heute 20-30jährigen später mit leuchtenden Augen erzählen, wie schön es war, als man neben diversen multimedialen Ausspielungen und der Homepage nur noch Facebook und Twitter machen musste. Dazu dürften sie auch allen Grund haben, weil sie nebenher noch in diversen Messengerdiensten unterwegs sind und sich parallel in Hangouts und Videochats mit Nutzern über die Aktualisierungen der letzten zwei Stunden auseinandersetzen dürfen.

Mag sein, dass letzteres Szenario überspitzt ist. Aber im Kern geht es darum: Wir müssen reden! Reden dürfte ein ganz essentieller Bestandteil des Journalismus werden. Aber nicht so, wie wir es bisher kennen, nämlich dass wir reden und die anderen zuhören. Reden bedeutet in diesem Fall tatsächlich: möglicherweise Dialog eins zu eins. Das liegt – nüchtern betrachtet – in der Natur der Sache: per se ist das Internet ein dialogisches Medium. Wenn man dort keinen Dialog will, ist man vermutlich schlichtweg falsch aufgehoben. Man müsste also das Berufsbild des Journalisten und seine Ausbildung um einen wesentlichen Punkt ergänzen: Kommunikation. Wenn Journalisten ihren Beruf ernst nehmen, dann sind sie die Moderatoren und Kommunikatoren einer digitalen Gesellschaft. Das ist übrigens ein sehr ehrenwerter Beruf und außerdem eine sehr hübsche Erklärung dafür, wenn man wieder jemand fragt, was wir bei diesem Facebook und diesem Twitter überhaupt verloren haben.

Ach, übrigens, weil wir gerade bei Facebook und Twitter sind: Die meistinstallierte App in Deutschland und die von Jugendlichen in den USA als wichtigste Web-Anwendung bezeichnete Sache ist übrigens nicht mehr Facebook. Es ist „WhatsApp“. Wenn Sie schon dabei sind, sollten Sie sich darüber auch noch ein paar Gedanken machen.

#3: Kaufen Sie sich sofort Smartphones und Tablets!

Ja klar, ich weiß, haben Sie schon lange alles. Nein, noch nicht? Dann aber sofort Abmarsch in den Laden und kaufen. Ob Sie sich für Android oder Apple oder ganz was anderes entscheiden, das ist völlig unbedeutend. Aber auch diejenigen, die schon im Besitz solcher Gerätschaften sind, sollten ab sofort ihre hübschen Gadgets mit anderen Augen sehen. Nämlich als Geräte, die mehr und mehr zum Mittelpunkt des Medien-Universums werden. 2014 wird vermutlich das erste Jahr werden, in dem die Online-Nutzung über mobile Geräte die der stationären PC´s übersteigt. 56 Prozent der Jugendlichen zwischen 14 und 19 haben bereits ein Smartphone, Tendenz steigend. Tablets sind gerade dabei, dem guten alten Netbook den Todesstoß zu versetzen – und sogar „richtige“ Notebooks haben mit der Konkurrenz der Tablets zu kämpfen.

Vor allem für den heutigen Nachwuchs und damit den Mediennutzer von morgen gilt eines ganz sicher: Was nicht auf diesen mobilen Geräten stattfindet, existiert nicht. D.h., dass die Zeiten, in denen es bereits als Ausweis einer Strategie galt, eine mobil-optimierte Webseite zu haben, schon wieder vorbei sind. Wie werden Inhalte mobil genutzt, welche Möglichkeiten bieten Apps? All das sollte man wissen, ehe man anfängt, Journalist und Redaktion zu spielen.

Daneben bieten Smartphones und Tablets auch noch einen ganz anderen Aspekt: Sie sind für Journalisten wunderbare Produktionsgeräte und bieten zusätzliche Optionen. Lernaufgabe also für 2014: mit mobilen Geräten für mobile Geräte arbeiten.

#4 Instagram wird das neue Twitter

Wir Journalisten lieben ja Twitter. Das ist durchaus in Ordnung. Man sollte sich nur darüber im Klaren sein, dass Twitter möglicherweise auch so etwas wie eine appgewordene Filterblase für uns Medienschaffende ist. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Twittern Sie ruhig weiter, wenn Sie es schon tun. Wenn Sie es noch nicht tun: Fangen Sie es noch heute an. Trotzdem glaube ich fest daran, dass Instagram der von uns Journalisten bisher am meisten unterschätzte und in seinen Potentialen am wenigsten genutzte Dienst ist. Mit Fotos und Videos und Text mobil arbeiten zu können – das kommt dem, wie man Journalismus 2014 definieren sollte, schon ziemlich nah. Näher jedenfalls als Statusmeldungen auf 140 Zeichen. Eine Minimultimedia-Applikation sozusagen, eine journalistische Quintessenz. Und übrigens: Auch Intagram gehört inzwischen zu den 20 meistinstallierten Apps auf iOS-basierten Smartphones.

#5 Video wird das neue Foto

Instagram kann jetzt also inzwischen auch Video, wenn auch maximal 15 Sekunden (immerhin, neun Sekunden mehr als Vine). Jedes bessere Handy hat inzwischen eine Videofunktion implementiert und digitale Spiegelreflexkameras sind inzwischen ab einer bestimmten Kreisklasse ein veritabler Ersatz für TV-fähige Kameras. Auf YouTube werden täglich hunderte Stunden neues Videomaterial hochgeladen und wer es gerne etwas hochwertiger hat, ist mit Vimeo bestens bedient. Kurzum: Das bewegte Bild ist kein Privileg des Fernsehens, schon lange nicht mehr. Es ist allgegenwärtig und möglicherweise das wichtigste Tool, das Journalisten zur Verfügung haben. Videos können sehr kurze Momentaufnahmen sein (siehe: Instagram und Vine), sie können klassische gebaute journalistische Beiträge sein, sie können als Webvideos zu einer völlig neuen Darstellungsform werden, sie können Bestandteile von multimedialem Storytelling werden. Vor allem aber werden Videos in ihrer Bedeutung über kurz oder lang das, was heute das Foto ist: visuelle Elemente einer journalistischen Berichterstattung, generell unverzichtbar, integriert in alle möglichen Formen von Bericht oder Reportage. Und natürlich: inzwischen auch mobil problemlos nutzbar. Eine journalistische Strategie ohne Video-Komponente, ein Journalist, der sich nicht mit Video auseinandersetzt? Komplett undenkbar.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Netz-TV

    …“Video wird das neue Foto“ 🙂 Danke!! Bevor diese Einsicht aber die Entscheidungsgremien erreicht wird es zumindest für die Zeitungen in Deutschland zu spät sein. Denn die Entscheider sind ja gerade dabei die Fotos abzuschaffen. Denn Amateurfotos sind keine Fotos.

  2. Dirk Hansen

    Zunächst vielen Dank für diese ausführliche und hochinformative Diskussionsgrundlage. In vielem könnte ich sofort zustimmen. Sowieso in die These, dass sich die etablierten, milliardenschweren Medienplayer wahnsinnig mit den gegenwärtigen Herausforderungen quälen. Immerhin verbessert das die Auftragslage im Trainer-Milieu 😉
    Weil reine Zustimmung aber langweilig wäre, möchte ich einiges hinterfragen. Dabei geht es mir eigentlich nur darum, durch etwas Differenzierung den Dampf aus einer Debatte zu nehmen, die nach dem Prinzip der Brandrodung funktioniert – erst das Alte abfackeln, damit Neues wachsen kann.
    Grundsätzlich denke ich, dass es auch 2014 nicht nur um die Form des Journalismus gehen darf, sondern auch um dessen Inhalt. Auch die schicksten Tools müssen auf ihren Sinn für die jeweilige Geschichte und das Bedürfnis der Nutzer geprüft werden. Ein Tritt auf die Spaßbremse.
    Für künftige Journalisten/innen eine Video- bzw. Technikpräferenz normieren zu wollen, wäre schade. Nach wie vor gehört zur journalistischen Arbeit Kontext (Recherche, Auswahl, Bewertung). Und zum anderen sollten weiterhin z.B. auch reine Schreib- und Radio-Talente zum Zuge kommen. Gebraucht werden sie jedenfalls. Vielleicht könnte man gedankengesteuerte Drohen erst mal als Wahlfach anbieten.
    Ob eine Radiosendung – die jetzt schon digital produziert wird – statt per UKW künftig ausschließlich digital verbreitet und auf smarten Endgeräten konsumiert wird, ist doch letztlich egal. Radio bleibt es, vor allem als Live-Erlebnis. Auch die TV-Nutzungsgewohnheiten sind zwar inzwischen sehr flexibilisiert, aber noch nicht abschließend konfiguriert. Wir spekulieren weiter munter herum.
    Zu besonders heiklen Debatten führt das digitale Dialog-Versprechen an das Publikum. Die Journalisten in ihrer Rollenauffassung als nutzerferne Gatekeeper und Bevormünder zu empfinden, ist das eine. Eine Kritik, die oft berechtigt erscheint. Aber auch die Medien der Zukunft werden mehr bieten müssen als Moderations- oder Gesprächsangebote, die nur bestimmte Nutzergruppen annehmen wollen oder können.
    Reporterinnen und Reporter waren immer schon dann sehr stark, wenn sie die Redaktionsstuben verlassen haben, also zu den Menschen und ihren Themen gegangen sind. Häufig gelang dies gerade dort exzellent, wo die Journalisten Zuschauer-/Hörer-/Leserhinweisen gefolgt sind. Und die Kritik des Publikums durchdacht haben. Das geht heutzutage viel, viel besser. Richtig, die Chance müssen Medien nutzen.
    Um in die Tiefe gehen zu können, bedarf es allerdings auch der (zeitlichen) Möglichkeit dazu. Deshalb sollten wir uns überlegen, ob alle Energie und alle Zeit in das Nachverfolgen der Publikumsbewegungen fließen sollten. Denn ob wir es nun lieben oder nicht – die digitale Entwicklung bleibt zweischneidig: Sie bringt sowohl Mehrwert als auch Mehrbelastung.

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