Die Zeitung und ihre letzte Chance

Eine runderneuerte SZ am Wochenende mit digitaler Sonntagszeitung – und eine Nachmittagszeitung in Köln: Zwei unterschiedliche Konzepte zeigen vor allem, dass die Tageszeitung den Kampf um die Aktualitätshoheit endgültig aufgeben muss.

Am Wochenende hatte ich endlich mal wieder Zeit zum Lesen. Also, zu dieser Form des Lesens, zu der irgendwie Sinn und Verstand und vor allem etwas Muße gehören. Früher, also irgendwann vergangenes Jahr, hatte ich mir gewünscht, dass es mehr Lesestoff am Wochenende gäbe. Und nicht erst am Montag, wenn die Woche gerade erst wieder los geht.

Inzwischen hat sich die Welt geändert und ich wusste am Wochenende gar nicht mehr, wo ich anfangen sollte. Die Kollegen der SZ legten mir die erste neue Wochenend-Ausgabe ins Tablet, die tatsächlich so umfangreich wie zwei Zeitungen war. Am Sonntag legten sie dann noch mit dem neuen digitalen Wochenend-Sport nach und der neue „Spiegel“ war auch schon da. Früher wäre das der Tag gewesen, an dem ich mir vielleicht noch eine FAS gegönnt hätte, aber das war nun beim besten Willen nicht mehr drin. Kurzum: Es hab so viel Lesestoff, dass das Wochenende vollgepackt war, weil das Internet und Facebook und Twitter ja auch keine Wochenendpause machen. Im Gegenteil: Das Gemeine an diesem Internet ist ja, dass jeden Tag ein bisschen mehr drin steht.

Interessant war vor allem zu lesen, was eine Tageszeitung wie die SZ jetzt am Wochenende macht. Das ist nicht mehr Tageszeitung, sondern Magazinjournalismus. Eine Zeit, eine FAS, das alles nur auf süddeutsch. Was keineswegs als Kritik gemeint ist, sondern eher als Feststellung. Die Wochenend-SZ hat de facto den Tageszeitungs-Journalismus früherer Prägung zu Grabe getragen. Sie hat, falls es das noch gebraucht hat, den letzten Beleg dafür geliefert, dass kein Mensch mehr eine Tageszeitung braucht, die die Ergebnisse des Tages zuvor rekapituliert. Die wirklich lesenswerten Stücke (und von denen gab es einige) waren keine tagesaktuellen, sondern Hintergründe, Reportagen, Analysen. Was übrigens auch im Sonntags-Sport nicht anders war. Kein Wunder, wer braucht schließlich am Tag darauf nochmal den klassischen Spielbericht, in dem die Torschützen des Bayern-Spiels und die Zahl der gelben Karten nochmal minutiös wiedergegeben werden?

Könnte also gut sein, dass es ab kommendem Jahr ein ganz schönes Gedränge am Samstag und Sonntag geben wird. Wenn neben der umfangreichen SZ auch der „Spiegel“, der „Focus“, die FAS und die „Welt am Sonntag“ mit einer ähnlichen Vorstellung von Journalismus an den Start gehen. Ich habe keine Ahnung, wer aus diesem Duell am ehesten als Sieger hervorgehen könnte. Interessanter ist die generelle Entwicklung, die dahinter liegt: De facto verlassen die großen Printmedien im Land das Tagesgeschehen mehr und mehr dem Netz; eine Entwicklung, die auch die NZZ in Zürich angekündigt hat. Das ist nicht mehr als vernünftig und realistisch.

Tageszeitung 2015, das heißt also idealerweise: Newsstream während des Wochentags, Lesestücke dann, wenn die Menschen dafür noch am ehesten Zeit dafür haben. Ob das funktioniert wird sich erst zeigen müssen – eine Alternative zu diesem Modell existiert allerdings derzeit nicht wirklich.

Ungewollt hat übrigens Dumont in Köln den Beleg dafür angetreten, dass die Branche das inzwischen Begriffen hat: Auf die Ankündigung, demnächst eine Nachmittagszeitung zu machen, die sich irgendwie an der Ästhetik des Netzes orientiert, hat es bisher bestenfalls milden Spott gegeben.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Hein Scholten

    Lieber Herr Jakubetz, ich muss mal eine Lanze für die taz brechen. Die macht seit einiger Zeit eine Wochenendzeitung, die zwar klein ist, dafür aber fein und mit dem immer etwas bemüht linken taz-Gehabe nicht mehr viel zu tun hat. Die SZ dagegen hat mich ziemlich enttäuscht. Kein großer Wurf.

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