Journalismus und Medien haben immer objektiv zu sein? Unsinn. Weil das erstens nicht geht und zweitens auch Medien nur ein Business sind. Das inzwischen mehr und mehr darauf rausläuft, für echte Communitys dazusein. Read More
Als ich noch ein sehr junger Journalist war (und ja, das ist verdammt lange her), da wurde ich als Nachwuchs-Lokalreporter auf Veranstaltungen immer gerne mit dem Satz begrüßt: “…und wir bedanken uns schon jetzt für eine objektive Berichterstattung.”
Das war vermutlich als höfliche Floskel gemeint, aber ich habe mir damals schon immer gedacht: Was für ein Unsinn! Klar, die Fakten müssen stimmen, aber das ist etwas ganz anderes als Objektivität. Objektiv kann ich gar nicht sein, weil der Mensch immer subjektiv ist. Weil ich mir die Diskussion sparen wollte, habe ich freundlich genickt und wenn sich hinterher trotzdem einer beschwert hat, dann meistens, weil ein Name nicht gestimmt hat oder ähnlicher Kram. Das war dann objektiv falsch. Oder doch: faktisch?
Bevor Sie jetzt befürchten, in ein mittelphilosophisches Proseminar mit grundsätzlichen Überlegungen zum Unterschied zwischen faktisch und objektiv geraten zu sein: Keine Sorge, ich weiß ja nicht mal, ob meine früheren Kollegen in Dingolfing immer noch mit dieser freundlichen Bitte begrüßt werden. (Kleiner Schlenker: Diese Bitte ist ohnehin absurd. Oder begrüßen Sie die Kassierin im Supermarkt mit: Guten Tag, und ja, dürfte ich Sie bitten, Ihren Job ordentlich zu machen?)
Das Thema mit der Objektivität, um wieder die Kurve zu kriegen, hat mich in den letzten Wochen und Monaten wieder deutlich mehr beschäftigt. Die Querdenker-Spinner und “Lügenpresse”-Plärrer waren ein erster Auslöser, obwohl man sich mit der Gedankenwelt, die die Existenz von ungefähr allem negieren, nicht zwingend beschäftigen muss. Danach kamen dann aber immer mehr Ereignisse, Pandemien, Kriege, bei denen man sich nicht nur mit der Rolle des Journalismus auseinandersetzen musste. Sondern ganz generell mit der Frage: Ist am Ende nicht alles eine Frage des Weltbilds?
Lust auf unser nächstes Webinar bei HYBRID Eins? Es geht um das Thema Communitys. Kostenlose Anmeldung hier.
Darauf gekommen bin ich, weil ich die merkwürdige Macke habe, mir alle möglichen Weltbilder reinzuschaufeln. Nicht, weil ich an sie glauben würde. Sondern weil ich sie wenigstens halbwegs verstehen will. Und weil ich es immer wieder faszinierend finde, wie unterschiedlich Menschen die Welt sehen. Wenn aber die einen in einem Krieg einen barbarischen Angriff und die anderen eine unvermeidliche “Spezialoperation”, dann ist klar, wie verschieden man die Welt sehen kann. Jeder so, wie er mag. (Und bitte, bitte keine Kommentare, ich würde den Krieg damit relativieren wollen, dass er einem anderen Weltbild entspringe. Ich gehören zu denen, die ihn für eine Barbarei halten).
Jedenfalls lese ich, so oft es geht, querbeet. Von der taz zur FAZ, von der SZ zur Zeit. Immer wieder verblüffend: “Objektiv” passiert jeden Tag immer und überall für alles das Gleiche. Am Ende kommen later unterschiedliche, subjektive Wahrnehmungen raus. Da können und sollen Journalisten keine Ausnahme machen. Nur eines sollten sie und natürlich auch die werte Kundschaft sein: so ehrlich, dass sie den Unsinn vom “objektiven” Journalismus endlich aus dem Vokabular streichen.
Medien sind auch nur ein Business
Journalismus und Medien, auch das sollte man der Ehrlichkeit halber sagen, sind ein Business. Keines wie jedes andere. Aber eben ein Geschäft, an dem verdient wird, manchmal sogar ganz ordentlich. Das ist nichts Ehrenrühriges. Im Gegenteil. Ich glaube immer noch, dass die Aussicht auf gutes Geld ein starker Antrieb ist, womöglich stärker als der altruistische Gedanke, jetzt irgendwie etwas Gutes für die Allgemeinheit zu tun.
Womit wir dann endlich zum Thema Community kommen. Das ist eines, das im digitalen Zeitalter erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Nicht nur, sondern auch wegen Social Media. Unter dem Brennglas der vielen kleinen Gruppen und Grüppchen findet man die Struktur einer solchen Gesellschaft. Menschen, die mehr und mehr in ihren Communitys leben und denken. Das hat seine Risiken, die viel zitierten Echokammern konnte man während der Pandemie und auch jetzt während des Kriegs leicht beobachten.
Aber das hat nichts mit einer guten Community zu tun. Communitys sind mehr als Orte, an denen sich mehr oder minder Gleichgesinnte gegenseitig auf die Schulter klopfen. Sie sind im Idealfall Orte eines guten Austauschs, einer gegenseitigen Inspiration. Ein Ort, an dem Journalisten und andere Kommunikatoren mehr sind als “Content Creators”. mehr als diejenigen, die wortlos ein paar Brocken Inhalt hinwerfen und dann wieder gehen. Idealerweise sind sie alles: Creator, Moderator, Inspirator. Und ja, ein Stück weit auch: die, die fürs Business zuständig sind.
Weil es im digitalen Zeitalter keine gute Kommunikation ohne Community mehr gibt. Digitale Medien sind immer dialogisch, das ist der große Unterschied zu den analogen Tagen.
Womit man das schließlich beim nächsten großen Thema dieser Publishing-Tage landet: Subscription. Das wird gerade ein bisschen wie ein Wundermittel angepriesen. Mach Subscription, und alle deine Sünden sind vergeben! Klingt verheißungsvoll, aber leider ist es so wie so oft: ganz so leicht funktioniert es nicht. Meistens nämlich hängt irgendjemand einer nur mäßig hübsche Paywall vor ein bestehendes Angebot und sagt: So, jetzt haben wir eine Community und ein Subscription. Die Ernüchterung stellt sich meistens schnell ein und dann ist wieder das böse Internet schuld. Oder der undankbare User.
Weil das aber natürlich Nonsens ist, ein paar Merksätze:
Ohne Community keine Subskription!
Eine Subskription ist im digitalen Zeitalter nicht einfach ein Abo, für das man eine Kaffeemaschine als Prämier bekommt (huhu, Zeitungsverlage!(). Sie bedeutet heute vielmehr buchstäblich: Mitgliedschaft, Teilhabe, Interaktion. Wer seinen Usern einfach nur schnöden “Paid Content” bietet, darf sich nicht wundern, wenn das Geschäft nur sehr mäßig funktioniert.
Content ist nur sehr selten so exklusiv, dass Menschen dafür Geld in die Hand nehmen wollen. Da muss schon etwas Mehrwert her. Community also, nicht einfach nur Foren. gemeinsame Veranstaltungen, Austausch, Interaktion. Das ist alles ist so viel mehr, als es “Paid Content” jemals sein könnte.
Und deswegen, falls Sie noch keine haben: ran ans Community-Building!