Nach der Kirche, Teil 2

Nein, ich bin gestern nicht schlauer aus der Kirche herausgekommen, als ich hineingegangen bin. Über die Gründe zu sinnieren, war mir gestern erst zu mühselig – und heute habe ich dann ohnehin eine interessante Geschichte gelesen, die mir das fehlende Erweckungserlebnis doch noch ersetzt hat…

In Aschaffenburg haben gestern die bayerischen Zeitungsverleger getagt und wie das halt so ist bei solchen Verbandsgeschichten, wurde das große Wehklagen angestimmt auf die Lage im allgemeinen und die Politik im besonderen. Die nämlich, so meinte der bayerische Oberverleger Dr. B., erschwere insbesondere Regionalblättern den Weg zu neuen Märkten und Geschäftsmodellen, weil man sie partout keine größeren Anteile an elektronischen Medien halten lassen will. Dass der Herr Dr. B. mit seiner Verlagsgruppe fast die Hälfte Niederbayerns und Teile der Oberpfalz publizistisch monopolartig dominiert und Tageszeitungen und Wochenblätter rausbringt und beim Radio auch noch fleißig mitmischt und natürlich auch Internet macht und somit der einzig wirklich relevante Meinungsmacher der Gegend ist, hat er nicht dazu gesagt. Jedenfalls hätte er gerne noch mehr Radio und noch mehr Fernsehen und noch mehr Internet…

Bei dem Satz konnte ich mir dann ein Grinsen nicht mehr verbeißen. Da nämlich, verehrter Herr Doktor, liegen wir dann doch ein bisserl falsch. Dass nämlich auf einmal ganz andere, finstere, riesenhafte Gestalten vor des Herrn Verlegers Tür stehen und ihm das jahrzehntelang sicher geglaubte Monopolgeschäft etwas abspenstig machen, das kann kann man nun wirklich nicht der Politik zum Vorwurf machen, da müssen wir uns schon ans eigene Näschen fassen. Dass die Poltik irgendwas damit zu tun haben könnte, dass Google die Anzeigenmärkte der Zeitungen ein bissel ramponiert, wäre mir neu. Und hallo, hatten insbesondere die Zeitungen nicht über Jahre hinweg Zeit, sich auf das Thema einzustellen? Das larmoyante Gejammer und der Ruf nach der ordnenden politischen Hand zeigen mir jedenfalls, dass ein beträchtlicher Teil der Verlage immer noch nicht verstanden hat, woru es eigentlich geht.

Amüsiert hab ich mich in den Zusammenhang über den von Herrn Dr.B. gebrauchten Begriff des Premium-Mediums, den er generös an die Blätter in toto und seines im speziellen verteilt hat. Das ist eine gute Sache, so ein Lob, weil es jede Diskussion, ob sich nicht der Journalismus in der typischen deutschen Tageszeitung ziemlich am Boden befindet, sofort erschlägt. Man muss dann auch nicht darüber reden, dass bspw. die Zeitungen des Herrn Dr. B. (und einige andere auch) Honorarsätze bezahlen, mit denen ein freier Journalist knapp über Hartz4-Level leben kann, wenn er auf diese Honorare blöderweise angewiesen sein sollte. Das Produkt, das sich mit solchen finanziellen Kraftakten von darob hochmotivierten und qualitativ an der Spitze stehenden Journalisten gemacht wird, verdient sich ganz sicher die Bezeichnung Premium. Und ganz ohne Zweifel lesen die Leute die Zeitung(en) aus purer Begeisterung, nicht etwa deswegen, weil´s häufig auf dem flachen Land einfach nichts anderes gibt.

Und reden wir doch mal von den Online-Angeboten, die man gerne noch weiter ausbauen würde, obschon die Politik dies ja bekanntermaßen verhindern will. Obwohl – reden wir lieber nicht drüber…

Man kann das also schon gut verstehen, dass Verlage, die in Bayern großteils de-facto-Monopolisten sind, gerne noch mehr Monopol hätten. Stoiber, Huber & Freunde, marsch,marsch, mehr Macht den Verlagen.

Achja, Kommando doch nochmal zurück: Ein bisschen schlauer bin ich dann gestern abend doch aus der Kirche gekommen. Im beschaulichen Vorarlberg nämlich gibts die kleinen „Vorarlberger Nachrichten“, deren Chefredakteur gestern ein paar Einblicke in das multimediale Konzept des Hauses gewährt hat. Mit sinnvollen crossmedialen Integrationen und Strategien, mit einem selbstverständlichen, souveränen und intelligenten Umgang mit neuen Medien, der eher die Chancen als die Risiken sieht. Keine Sekunde Wehklagen, kein bisschen Larmoyanz.

Vor der nächsten Verbandssitzung sollten Sie den Herrn Dr. Ortner vielleicht mal anrufen, verehrten Herr bayerischer Oberverleger.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. vorarlberga

    Der Herr Ortner kann es sich auch leisten locker zu sein. Von einem Monopol wie das VorarlbergerMedienhaus (VN, NEUE, VOL internet portal, …) es besitzt können ihre bayrischen „Monopolisten“ nur träumen. Neben dem Russ, dem Besitzer des ganzen Zirkus (frei nach Tigres del Norte), gibt es keine Medien in Vorarlberg. Das ist kein de-facto Monopol sondern ein totalitär totales.
    Also ich wäre mit den bayrischen Verhältnissen sehr zufrieden.

  2. cjakubetz

    Mag sein, aber die Erfahrung zeigt, dass gerade Monopolisten oder Quasi-Monopolisten diejenigen sind, die ihren Hintern am schwersten nach oben bekommen. Wenn sie sich nur selbst das Leben schwer machen würden, wär´s mir egal, aber so wird die Eintwicklung einer ganzen Branchen behindert.

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