Das kann doch Alice nicht wahr sein!

Keine Sorge, das hier wird jetzt kein Alice-Schwarzer-Watchblog, aber was sie zum letztenVerhandlungstag als „Bild“-Feigenblättchen einer weitgehend unverhohlenenen Anti-Kachelmann-Berichterstattung von sich gibt, das ist derart offensichtlich vorverurteilend, dass man tatsächlich noch einmal ein paar Sätze dazu aufschreiben sollte.

Das deutsche (und nicht nur das deutsche) Rechtssystem folgt einem einfachen Grundsatz. In dubio pro reo, wenn es Zweifel an der Schuld eines Angeklagten gibt, dann ist er nicht zu verurteilen. Alice Schwarzer und „Bild“ allerdings machen nichts anderes, als diesen Grundsatz in Frage zu stellen. Wenn nämlich das Gericht die Wahrheit nicht herausfinden könne (Schwarzer und „Bild“ meinen wohl eher: die Vergewaltigung durch Kachelmann nicht beweisen können), dann wäre das nichts Geringeres als „eine Katastrophe“. Das ist interessant — eigentlich hätte man ja denken können, dass es nichts anderes als eines der obersten Prinzipien unseres Rechtsstaates ist, jemanden nur dann zu verurteilen, wenn seine Schuld ohne jeden Zweifel bewiesen ist. Und bevor Frau Schwarzer noch länger sinniert oder womöglich schon nach einem griffigen Argument gegen das Gericht sucht: So wird es übrigens kommen. Bleiben Zweifel, wird Kachelmann freigesprochen. So viel ist sicher.

Doch für Alice Schwarzer und „Bild“ stellt sich diese Frage ohnehin nicht mehr richtig. Und selbst wenn man diese Frage außen vor lassen würde, so hat Kachelmann aus Sicht Schwarzers schon jetzt so viel Schuld auf sich geladen, dass man ihm ordentlich was mitgeben kann. Dafür stellt die „Bild“-Gerichtsreporterin dann schon mal ein paar Thesen auf, bei denen einem kaum etwas anderes übrig bleibt als sie „steil“ zu nennen:

„Notrufe und Beratungsstellen melden schon jetzt, dass vergewaltigte Frauen seit Bekanntwerden des Falles noch mehr zögern als zuvor, Anzeige zu erstatten.“

Da wüsste man dann schon mal gerne (altes journalistisches Prinzip), wer diese Notrufe und Beratungsstellen denn sein sollen. Man wüsste gerne, wer die Quellen für diese ja dann doch schwerwiegende Behauptungen sind. Und schließlich hätte man es zudem gerne noch etwas konkreter gehabt, vielleicht sogar mit so etwas absonderlichem wie einer Zahl hinterlegt. So aber macht Schwarzer etwas, was man jedem Volontär um die Ohren hauen würde: Sie stellt eine Behauptung in den Raum, ohne eine Quelle, einen Beleg, einen konkreten Anhaltspunkt zu nennen. Stattdessen steht da mehr oder minder unverhohlen: Seit Kachelmann seine Freundin vergewaltigt hat und die Öffentlichkeit ihm auch noch die Unschuldsnummer abnimmt, trauen sichFrauen jetzt gar nicht mehr sich zu melden, wenn sie vergewaltigt wurden. Und weil´s bei Schwarzer gerne etwas pathetischer sein darf, fällt ihr jetzt doch noch eine Zahl ein: Natürlich seien davon „Millionen“ Frauen betroffen.

Schwarzer geht in „Bild“ allerdings noch ein Stück weiter. Schließlich sind die Medien, die von Kachelmanns Schuld nicht so überzeugt sind wie Alice Schwarzer, nicht einfach nur ein bisschen bedächtiger als sie (oder wägen vielleicht die bisher bekannten Tatsachen einfach gegeneinander ab). Nein, diese Medien (Schwarzer meint da gerne die bekannten Macho-Kampfblätter „Spiegel“ und „Zeit“) führen nichts anderes als eine Kampagne. Mit dem Ziel der Einschüchterung von Frauen:

„Die Berichterstattung darüber – vor allem die eindeutige Parteinahme einiger Medien pro Kachelmann noch vor Beginn des Prozesses – schüchtert offensichtlich die Opfer ein.“

Spätestens hier verliert man dann den letzten Funken Respekt vor der „Journalistin“ Schwarzer. Eine Publizistin, die seit Wochen massiv gegen Kachelmann Stellung bezieht, die ihn mit subtilen Mittel der Vergewaltigung bezichtigt („Auch nette Männer vergewaltigen, Kollege Kachelmann. Leider.“), die komplett unbelegbare Thesen in die Welt setzt — die Voreigenommenste von allen also ausgerechnet unterstellt jedem, der nicht ihren Kurs fährt, Voreingenommenheit, die letztendlich zur Einschüchterung von Frauen führt (was übrigens ein ziemlich hübsches Totschlagargument ist, wie es überhaupt gefährlich ist, in einem solchen Fall, ähnlich wie damals auch bei Andreas Türck, Zweifel an Vergewaltigungsvorwürfen anzumelden. Meistens geht das Spiel nämlich so aus, dass man schnell als jemand dasteht, der Vergewaltigungen eigentlich gar nicht so schlimm findet).

Da trifft es sich übrigens gut, dass Alice Schwarzer ein neues Buch geschrieben hat, das, suprise, surprise, ein wenig den weiblichen Sarrazin macht. „Bild“ (noch so eine Überraschung) freut sich wie besoffen über das Werk seiner neuen Kolumnistin und kündigt an, dass Alice Schwarzer mit den Islamisten mal so richtig ordentlich abrechnet. Bevor jetzt der typische Bild-Leser und Sarrazinist sofort dem Drang zum Zweitbuch nachgibt, so richtig doll draufgeschlagen ist es dann doch nicht. Eigentlich will Frau Schwarzer nur ein Kopftuchverbot für kleine Mädchen (damit die nicht so stigmatisiert werden) und fordert letztendlich Integration, was schade ist, der Sarrazin war da doch deutlicher.

Aber dafür lässt sie es ja wenigstens im Fall Kachelmann kaum an Eindeutigkeit vermissen.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Stupor

    Die Mission unserer journalistischen Scharfrichterin Alice Schwarzer ist also: Kachelmann muss allein schon deswegen zur Strecke gebracht werden, damit alle zukünftigen Vergewaltigungsopfer nicht ihre Hoffnung auf Genugtuung verlieren… Eine tatsächlich vorliegende Schuld ist dabei zweitrangig, Kachelmann muss als symbolischer Vergewaltigertypus herhalten.

    Ich mache mir tatsächlich inzwischen Sorgen um den geistig-moralischen Zustand von Alice Schwarzer. Nach alldem, was sie in der Vergangenheit so rühmlich für die Rechte der Frauen geleistet hat, droht sie nun in einen ganz üblen Sumpf abzusinken, wie durch ihre Komplizenschaft mit den Unterhosen-Inspekteuren der BILD unter Beweis gestellt (das hast Du ja in Deinem vorangegangenen Beitrag zu diesem Thema bereits treffend dargestellt). Es ist also an der Zeit, einen gesetzlichen Vormund für unsere Alice zu bestellen, der sie davon abhält, irgendwann mit Kader Loth und Dieter Bohlen im Dschungel-Camp zu enden.

  2. Ein Journalist

    >> So aber macht Schwarzer etwas, was man jedem Volontär um die Ohren hauen würde <<

    Wenn denn das Personal dafür vorhanden wäre…. :-/

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