Unsere lieben Seelenverwandten

Der ehemalige CSU-Chef Erwin Huber hat dem „Spiegel“ ein Interview gegeben. Eines, das man dringend lesen sollte – und von dem auch Journalisten eine ganze Menge lernen können. U.a. über sich selbst.

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Kennengelernt habe ich Erwin Huber vor rund 30 Jahren. Ich war damals ein kleiner Lokal-Volo in Niederbayern, er war dort ein junger Abgeordneter, der über die Liste in den Landtag gekommen war und von dem man schnell sagte: Aus dem wird mal noch was.

Diese Vermutung war aus zweierlei Gründen berechtigt: Zum einen gehört Huber zu den Menschen, die die beeindruckende Fähigkeit besitzen, sich in Dinge wirklich einzuarbeiten. Wenn man mit Huber über irgendein Thema spricht, dann spürt man sehr schnell, dass er davon wirklich etwas versteht. Wenn nicht, dann spricht er nicht darüber. Das ist nicht so selbstverständlich wie man meinen könnte; ich habe in den letzten zwei Jahren ein paar Mal Reden der bayerischen Medienministerin gehört, die klangen, als seien sie von einem Sprachroboter zusammengestellt. Mit Huber war ich eher selten einer Meinung, hatte aber immer den Eindruck: Der ist schwer zu kontern und im Thema immer sattelfest. Das Waldbeißer-Image, das man ihm zwischendrin mal verpasst hatte, war eben immer nur ein Image.

Zum anderen: Huber war bereit, seinem politischen Erfolg und Aufstieg ungefähr alles unterzuordnen. Und natürlich wäre es naiv zu glauben, dass es dabei immer freundschaftlich-verbunden zuging. Huber wurde unter Strauß Vize-Generalsekretär, reüssierte unter Stoiber, Waigel und war sogar mal als Kanzleramtsminister bei Merkel im Gespräch. Wer das schafft, muss ganz schön tough sein – und eben doch etwas mehr als der tumbe Niederbayer, als den man ihn immer gerne dargestellt hat. Und eines hatte Huber auch, trotz aller Karriere-Ambitionen: eine eigene Meinung, zu der er stand. Egal, wer gerade noch alles dagegen quäkte. Ob ich das bei den Seehofers und Söders dieser Tage auch so unterschreiben würde, bezweifle ich.

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Im aktuellen „Spiegel“ spricht Huber über diese Droge namens Politik. Darüber, warum er selbst nach seinem einigermaßen brutalen Absturz 2008 nicht aufhören konnte und seither als einfacher Abgeordneter weiter macht. Darüber, wie süchtig Politiker nach Macht, öffentlicher Aufmerksamkeit und dem Applaus von richtigen und falschen Freunden sind. Kurzum, Huber bestätigt ziemlich schonungslos all das, was man ohnehin ahnt, wenn man sich ein bisschen mit Politik beschäftigt. Mag sein, dass es einfacher ist, das zu tun, wenn man weiß, dass der Zenit der Karriere überschritten ist und man jetzt die eigene politische Laufbahn langsam ausklingen muss. Trotzdem: So viel Selbsterkenntnis muss man erst mal hinbringen.

Bevor jetzt aus dem Kollegenkreise wieder die Debatten über diese endlos machtversessenen Politiker losgehen: Viele Sätze Hubers hätten auch dann ihre Berechtigung gehabt, wenn in ihnen der Begriff „Politiker“ durch „Journalisten“ ersetzt worden wäre. Zumindest was ihre Sucht nach Aufmerksamkeit, nach Beifall, nach Macht und nach Anerkennung angeht, sind wir Journalisten den von uns gerne geschmähten Politikern keineswegs unähnlich.

Ich geb´s zu: Nach der Lektüre des Huber-Interviews habe ich mal darüber nachgedacht, auf wie viele Menschen aus dem Kollegenkreis diese Diagnose der Selbst- und Machtverliebtheit, des unbedingten Drangs nach Aufmerksamkeit und Bestätigung zutrifft. Nach geschätzten drei Minuten war ich ernsthaft erschüttert darüber, wie viele Namen mir spontan eingefallen sind und wie querbeet das reicht von der kleinen Lokalredaktion bis hin zu bekannten TV- und Online-Nasen. Bevor es Sie jetzt in den Fingern juckt und Sie sofort einen entrüsteten Kommentar hinterlassen: Natürlich würde ich das alles bei mir wenigstens in Spurenelementen auch einräumen.

Vermutlich kann man diesen Beruf nicht machen, wenn man nicht wenigstens eine kleine Veranlagung zur Extrovertiertheit in sich trägt. Niemand drängt sich VOR eine Kamera, wenn er nicht ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein hat.Niemand kommentiert in Zeitungen, im Netz oder im Fernsehen, wenn er nicht irgendwo in seinem Innersten die Überzeugung verspürt, dass die Öffentlichkeit unbedingt von dieser Auffassung erfahren muss (schließlich könnte man ja auch einfach eine Meinung haben, ohne sie sofort der halben Welt zu erzählen).

Und irgendwann ist mir dann tatsächlich noch eine Parallele eingefallen: Grundsätzlich hält man ja die Menschen für sympathischer, die durch Substanz und Zurückhaltung glänzen. Gehört werden trotzdem gerne die mit der größten Wendigkeit, der größten Klappe und der heißesten Luft (das Heißluftgebläse Söder darf dafür als exzellentes Beispiel genommen werden).

Auch da gibt es zwischen Journalisten und Politikern leider zunehmend weniger Unterschiede.

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