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In der Social Media-Falle?

Immer, wenn ich Content von HYBRID Eins und D25 publiziere, fühle ich mich in einem Dilemma. Auf der einen Seite will ich natürlich Reichweite und dafür brauche ich Social Media. Auf der anderen Seite gibt es nicht nur ein Unbehagen bei diesen Plattformen, sondern auch handfeste Gründe, sich nicht zu abhängig zu machen und stattdessen die eigenen Kanäle zu pflegen. Zu diesem Thema gibt es einen Podcast, ein Buch – und natürlich diesen Text.

Eines muss man Elon Musk lassen: Seine Mission, Twitter zu zerstören, hat er in atemberaubendem Tempo. Nicht nur, weil Twitter ja gar nicht mehr Twitter heißt. Sondern weil er den Laden komplett unmöglich gemacht hat. Es sei denn, man steht auf  Hate-Speech, Trolle, krudes Gedankengut, garniert mit einer ordentlichen Portion Antisemitismus. Für alle halbwegs normal denkenden Menschen kann es eigentlich keine zwei Meinungen geben: raus aus TwitterX – und gegebenenfalls wären auch klassische Redaktion gut beraten, den Laden nicht andauernd auch noch als “X, vormals Twitter” und ernsthafte Quelle für irgendwas zu verwenden.

Aber es soll in diesem Newsletter gar nicht so sehr um TwitterX gehen. Aufmerksame Leser wissen, dass wir hier das anstehende Ende schon vor einem Vierteljahr prognostiziert haben. Interessant sind zwei andere Aspekte.

Der eine: Die Horden wollen weiterziehen und bauen dabei immer wieder verblüffende Hypes auf.  Der Medienmensch als solcher ist anscheinend ein ganz schönes Herdentier und vor allem ein sehr großer Optimist. Es ist noch nicht so lange her, da hörten wir alle, dass Mastodon eh sehr viel schöner ist als Twitter und dass jetzt alle dorthin kommen sollen. Von Mastodon hört man nicht mehr sehr viel. Dafür jetzt aber von Bluesky. Das ist das neue Mastodon, was vorher noch das neue Twitter sein sollte. Es ist gerade wie in den schönsten Clubhouse-Zeiten. Menschen betteln um Invites, wer drin ist, gilt als cool und wann die große Ernüchterung kommt, ist nur eine Frage der Zeit.

Der andere Aspekt hat unmittelbar mit dem ersten zu tun – und ist womöglich noch wichtiger. Wir haben uns in eine erstaunliche Abhängigkeit von solchen Plattformen begeben. Und wir reagieren immer gleich, wenn eine wahlweise inhaltlich oder auch aus anderen Gründen den Bach runtergeht: kurzes Erschrecken, danach die Suche nach den “Alternativen”. Nicht selten stellt sich dann raus, dass  diese Alternativen (siehe Mastodon, siehe Bluesky) so prickelnd nicht sind. Entweder man stellt dann fest, dass man so ein Twitter-Mastodon-Bluesky-Dingens gar nicht braucht. Oder man landet dann am Ende doch wieder beim Ursprungs-Platzhirschen. Von dem her, was weiß man schon, kann sich Elon Musk vielleicht doch entspannt zurücklehnen. Gemessen an dem, was Menschen so über soziale Netzwerke schimpfen, sind sie dann doch erstaunlich treu. Nicht mal “X” steht aktuell vor dem Zusammenbruch, obwohl man dort wirklich alles dafür tut, halbwegs klar denkende Menschen zu vergraulen.

Ja, natürlich weiß ich das auch: ziemlich naiver Gedanke zu glauben, man könne sich mal eben aus den nicht wirklich sozialen Netzwerken schnell zurückziehen. Zumindest als Medienmensch ist das unrealistisch. Privat ist das übrigens was anderes, ich ertappe mich zunehmend dabei, meine wirklich rein private Nutzung von Social Media extrem heruntergefahren zu haben. Wer das beruflich macht (und ich gehe davon aus, dass das die Mehrzahl der hier mitlesenden Menschen ist), muss Social Media weiter nutzen. Allerdings: Sich komplett von den Netzwerken abhängig zu machen, ist keine Strategie, sondern ziemlich dumm. Man steht dann schon mal blöd da, wenn es mal wieder irgendeinen Facebook-Skandal gibt oder sich Twitter (sorry: X natürlich) als eine unschöne Kloake erweist.

Was also tun? Ich traue mich diese Frage ja kaum zu stellen, weil ein paar mögliche Antworten auf diese Frage so naheliegend sind. Zum Beispiel reden wir ja immer noch so gerne von Content, von Content-Strategien und vom Content-Marketing. Und das alles dafür, dass wir diesen wunderbaren Content irgendwohin schleudern? An Orte, an denen wir weder die volle Kontrolle über das Geschehen haben noch wir diejenigen sind, die ausschließlich davon profitieren? Man kann so etwas Banales wie die eigene Webseite, das eigene Blog, den eigenen Podcast nicht nur wieder entdecken. Man kann diese Kanäle auch schnell selbst aufbauen, sie bewerben und sie in den Mittelpunkt einer Strategie stellen. Mit dem Vorteil, dass man dann wieder Herr der eigenen Dinge ist.

PS: Nachtrag: Die Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung hat heute ihren Rückzug von X bekannt gegeben.

In dem Zusammenhang eine Empfehlung: das Buch “In der Social-Media-Falle”von Björn Staschen. Kleiner Teaser: Wer mehr darüber wissen will, am kommenden Freitag und am Freitag darauf erscheint eine Doppelfolge von“Satzzeichen”, in denen ich mit Staschen genau über diese Problematik spreche. (Wir produzieren Satzzeichen für die Hanns-Seidel-Stiftung).

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